Dienstag, 1. Juni 2010

Gastbeitrag von Farah: Wann ist die Würde eines Menschen verletzt ?

Farah transidente Reporterin
Farah Moderatorin
und Reporterin

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von Michaela-W
Gestern ist Horst Köhler als Bundespräsident zurückgetreten. Er hat seine Amtswürde und vermutlich auch seine Würde als Mensch als so stark gefährdet empfunden, dass er diesen Schritt tun wollte (musste).

Ich nehme dieses Ereignis als Anlass euch einmal mitzuteilen was ich unter der Würde des Menschen verstehe und wann sie aus meiner Sicht verletzt wird.

Mit Würde verbinde ich spontan Begrifflichkeiten wie Ehrlichkeit, Selbstachtung, Gerechtigkeit usw.

Andere Menschen empfinden materielle Werte bzw. ihr Image in der Gesellschaft als würdevoll oder eben nicht.

Vermutlich hat jeder Mensch eine andere Definition von Würde und einige Menschen werden sich auch noch nie mit ihrer Würde bzw. dem Begriff der Menschenwürde auseinandergesetzt haben.

Ich habe dies in den letzten Stunden sehr ausführlich getan und muss sagen, dass ich aus meiner Sicht ein sehr würdevolles Leben führe. Ich bin immer ehrlich gewesen, sowohl beruflich als auch privat. Ich habe immer versucht Situationen, die ich als würdelos empfunden habe aufzulösen und zu verändern. Dabei habe ich immer mein Bestes gegeben wusste aber auch, dass wenn ich eine für mich als belastend empfundene Situation nicht ändern kann, ich irgendwann die Konsequenzen ziehen muss. Ich bin beruflich wie privat oft gegangen oder „gegangen worden“ und meist stimmt leider der Satz: "Die Ehrliche (Aufrichtige) ist die Dumme", zumindest wenn man den Satz auf gesellschaftliches Ansehen und materiellen Wohlstand bezieht. Beides habe ich nicht um es mal direkt zu sagen :-).

Dennoch denke ich habe ich auch in unwürdigen Situationen meine Würde bewahren können, weil ich eben aufrichtig geblieben bin und meine Selbstachtung (Achtung vor sich selbst !) nie verloren habe.

Andere Menschen leben ein Doppelleben um den Schein vor ihren Mitmenschen zu wahren oder um sich weiter materiellen Wohlstand zu sichern -gute Gründe, die ich nicht in Frage stellen möchte.

Wenn aber deren Doppelleben anfängt mich in meiner eigenen Würde in Frage zu stellen wird es schwierig , hier ein paar Beispiele:

  • Ich darf die Eltern meiner besten Freundin nicht besuchen, da sie ihre Transidentität und somit auch mich als Mensch ablehnen. Außerdem unterstellen sie mir und ihrer Therapeutin, dass wir sie erst „so gemacht“ hätten bzw. in ihr den Wunsch als Frau leben zu wollen verstärkt hätten.
  • Meine Bekannte verleugnet mich gegenüber ihrer Lebensgefährtin, da diese nicht wissen darf ,dass sie mich ab und zu unter der Woche „als Frau“ besucht. Sie tarnt ihre Shopping-Trips „en femme“ gegenüber ihrer Frau als „Geschäftstermine“.
  • Mein Telefonfreund, mit dem ich seit drei Jahren telefoniere sagt mir nicht seinen Nachnamen aus Angst ich könnte ihn ja wirklich mal in seinem gewohnten Umfeld besuchen kommen, obwohl er sozusagen am anderen Ende von Deutschland wohnt. Eine Frau, die er hingegen im Urlaub kennengelernt hat bekam nach einer Woche den Schlüssel zu seiner Wohnung und vermutlich auch zu seinem Herzen.
  • Eine weitere gute Bekannte zwingt mich jedes Mal mit ihr zusammen aus ihrem Haus zu schleichen, da die Nachbarn (noch) nicht von ihrem Doppelleben als Frau erfahren dürfen.
  • Zu einer ehemaligen Bekannten habe ich den Kontakt abgebrochen, da mir das ewige Versteckspiel bzw. die Treffpunkte und ihr Schminken in ihrem Auto auf irgendwelchen Parkplätzen einfach nicht mehr hinnehmbar erschienen.
  • Eine weitere Bekannte hat mich am Ostermontag nicht in ihre Wohnung gelassen. Ich vermute es wäre ihr unangenehm gewesen eine Frau wie mich im Beisein „seriöser Leute“ hereinzubitten. Sie hätte sich dann unangenehme Fragen anhören müssen. Sie selbst ist Crossdresser.
  • Eine Stammtischbekannte, hat mich zwar jemandem vorgestellt, aber wie und wo wir uns kennengelernt haben dazu mussten wir uns eine Lügengeschichte ausdenken um ihr Doppelleben nicht zu gefährden.

Ich gebe offen zu bei einigen der erwähnten Beispiele und Personen frage ich mich ehrlich warum ich immer wieder den Kontakt gesucht habe, denn es ist schwer in Situationen, die man selbst als würdelos erachtet Würde zu bewahren.

Außerdem sind Menschen, die aus meiner Sicht ein unwürdiges Leben führen vielleicht auch nicht der richtige Umgang für mich.

Dennoch gilt auch die Würde eines Menschen, der aus welchen Gründen auch immer gezwungen ist (aus meiner Sicht) ein unwürdiges Leben zu führen als unantastbar !

Ich danke meinen Eltern und meiner gesamten Familie, die immer zu mir stehen ihr sorgt dafür, dass ich bei euch ein würdevolles Leben führen darf.

5 Kommentare:

  1. Ein wirklich schöner und ja, ein würdevoller Artikel.

    Mein Leben ist sicher insgesamt etwas "einfacher", da ich "durchschnittlicher" bin. Doch auch ich habe in den letzten zwei Jahren gelernt, mir meine Würde nicht nehmen zu lassen. Mich nicht für andere zu verbiegen, weil ich denke, dass ich dann eher akzeptiert werde. Und weil es mich verletzt hat, einen Teil von mir zu verstecken. Nur ein klein wenig, aber immer wieder - und auch von Menschen, die sagten, dass ich ihnen wichtig sei.

    Und ich muss sagen: Diese Erkenntnis, letztendlich die Findung und das Stehen zu sich selbst, war mit das Beste, das mir passieren konnte. Auch wenn ich dafür durch die Hölle gegangen bin.

    Macht weiter so, ihr beiden!

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  2. Hallo Farah,
    Stark von Dir, so offen und ehrlich zu schreiben. Ja "Gesetze stehen auf dem Papier - und Papier ist geduldig..." Das habe auch ich des öfteren erlebt...
    Ich persönlich denke, so lange Kategorien wie Macht, Position, materieller Status, Erfolg, Geschlecht, Moral usw. eine Hauptrolle im Leben der Menschen spielen, wird es eine echte und absolute Würde nicht geben. Denn das würde voraussetzen, den Menschen als "komplexe Persönlichkeit", auch mit seinen inneren Werten" zu betrachten. Auch setzt Würde voraus, dass nur der konkrete Mensch selbst überhaupt das Recht hat, sich zu beurteilen, sein eigener Richter zu sein und das niemand anderem zustehen dürfte.
    Das ist aber Zukunftsmusik...
    Der "Spagat" im Leben, einerseits seine "Würde" und "Anstand" zu behalten, aber andererseits sich in die Gesellschaft einzuordnen (denn wenn wir existieren wollen, müssen wir uns ja bestimmten "ökonomischen Regeln" und "Sachzwängen" unterwerfen und machen das ja auch alle, irgendwie jedenfalls, und mehr oder weniger, besteht m.E. darin, dass man das, was man tut, vor SICH SELBST verantworten kann und mit sich selbst noch "im Reinen" ist. Und eigene Würde setzt natürlich auch voraus, jedem anderen würdevoll zu begegnen - in der Praxis nicht immer ganz leicht...
    Aber es ist gut, solche Meinungen wie Deine nach außen zu tragen und andere etwas zu ermuntern, auch nicht immer wie die "Schafe der Herde hinterher zu laufen".
    Ich wünsche Dir sehr, dass Du auf Deinem Weg bleibst. Alle Gute für Dich
    Gerti.

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  3. Liebe Farah,

    ich muss ehrlich zugeben, dass ich so einen zirkus (bzw. so ein versteckspiel) auf dauer in einer (ehrlichen) freundschaft nicht dulden würde und schon gar nicht in einer beziehung. bei crossdressern/transvestiten kann ich dieses versteckspiel ja noch verstehen, denn sie leben nicht wirklich als frau bzw. fühlen sich nicht wirklich als frau, sondern leben diese rolle mal für ein paar stunden in einer disco aus oder beim shoppen in einer stadt, in der sie niemand kennt oder lediglich beim sexuellen spiel. außerdem leben viele CDs/TVs mit (bio)frauen zusammen, die nichts von ihrem doppelleben wissen bzw. wissen dürfen bzw. dieses auch nicht annehmen würden. viele haben auch eine bestimmte ökonomische oder soziale oder berufliche situation zu (be)wahren. bei transmenschen andererseits, egal ob FzM oder MzF, kann ich dieses verhalten am anfang ja noch verstehen, wenn man sich nicht sicher ist, ob und wie man den weg zum "optischen" mann bzw. zur frau beschreiten möchte. doch nach einer gewissen zeit ist bei transmenschen ob man/frau will oder nicht, ein coming out nötig. so sehe ich das. man kann als "echt" transsexueller mensch nicht auf dauer in der rolle und im outfit des biologischen geschlechts glücklich werden, auch wenn man es noch so verdrängt oder verdrängen will. das eigentlich gefühlte geschlecht ist immer stärker, sonst würde man ja nicht von "echter" transidentität sprechen.

    vielleicht solltest du nur freundschaften mit menschen knüpfen, die sich selber und auch dich so hinnehmen, wie sie wirklich sind bzw. wie du bist. vielleicht findest du das bei transsexuellen menschen, die schon ihren weg gegangen sind vielleicht leichter als bei TVs oder TS, die ihren weg erst gehen müssen.

    LG der biologische Tom aus Südtirol ;-)

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  4. Freundschaften nur unter transsexuellen Menschen zu suchen oder zu pflegen dürfte schwierig wenn nicht sogar völlig falsch sein. Dies ist ja auch überhaupt nicht einzusehen, nur darf man sich nicht zum "Krückstock" von anderen Personen machen.
    Ich kann ja verstehen, dass man gerade am Anfang der Selbstfindung so seine Probleme mit der Umwelt hat. Diese Phase hatten wir mehr oder weniger alle, aber wenn man da nicht sehr zeitnah über den eigenen Schatten springt, dann hat man eh verloren und von solchen Personen, die nicht den Mut haben zu sich und den Freunden zu stehen, muss man sich dann halt ganz einfach trennen. Solche Leute bringen mich in meiner Entwicklung nicht weiter, im Gegenteil, sie behindern mich und sind nur unnötiger Ballast.

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  5. Liebe Farah,

    ich finde es gigantisch dich kennen gelernt zu haben...
    Es ist schade um deine 7 Fälle...
    Also ich bin mir nicht zu schade und habe kein Problem mich mit dir in der Öffentlichkeit zu zeigen.. Ich stehe voll zu dir

    Martina

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