Dienstag, 5. Dezember 2006

Therapiesitzung

Dienstagnachmittag um 15.00 Uhr, es wird Zeit, daß ich meinen Rechner herunter fahre und meine Sachen zusammenpacke. Ich habe nachher in zwei Stunden eine Therapiesitzung bei meiner Psychotherapeutin. Ich freue mich darauf, immerhin habe ich einiges zu erzählen und dennoch kommen beim Gedanke, wieder durch das Treppenhaus zu gehen, ein paar leichte Beklemmungen hoch. Aber es ist nicht mehr so schlimm wie früher und letztendlich ist es mir egal, was meine Nachbarn denken könnten. Ich werde es wahrscheinlich eh nicht erfahren, was sie von mir denken und ob sie überhaupt Notiz von mir nehmen....

Die Heimfahrt dauert heute etwas länger, da ich vorsorglich gleich über Markdorf nach Friedrichshafen fahre, denn in Fischbach ist eine Baustelle, die nur einspurig passiert werden kann. Zu Hause angekommen, beginne ich mich als erstes zu rasieren, anschliessend noch mal die Zähne putzen und dann geht es auch los, daß ich mich schminke. Zuerst trage ich das Camouflage auf und dann das passende Puder darüber, dadurch wird das ganze Wasserfest. Nach dem Camouflage kommt noch etwas Rouge auf die Wangen. Jetzt noch die Augenbrauen nachziehe, ich könnte sie auch mal wieder zupfen und vielleicht auch mal wieder färben, danach wird der Liedschatten aufgetragen. Zum Schluß noch der Liedstrich, Wimpern tuschen und nicht zu vergessen, die Lippen mit Lippenstift betonen. So jetzt bin ich soweit fertig und ich ziehe mich fertig an. Ich habe mich für den gleiche Jeansroch entschieden, den ich schon am Samstag in Konstanz an hatte. Oben nehme ich ein beiges Shirt und dann noch ein farblich passendes Tuch. Ich habe ein kleines Büchlein, in dem mehrere Bindetechniken für Schals und Tücher stehen. Ich wähle die Häckeltechnick, das ist schön einfach und sieht gut aus, finde ich. Ganz zum Schluß setze ich noch meine Perücke auf und zieh mir meine Schuhe an. Ich nehme mal wieder meine Stiefel.

Nachdem ich mir noch meinen Mantel angezogen habe, geht es los. Ich gehe natürlich zu Fuß zu Frau L.. Immerhin muß ich dann nicht in die Tiefgarage, wo mein Auto steht. Das macht mir immer noch ein wenig Angst, daß man mich dort mit meinen Auto sieht und daduch Rückschlüsse auf mich ziehen könnte. Aber letztendlich ist das irgendwann sowieso der Fall, und ich weiß ja von den Leuten, die ich dort treffe ja auch nichts. Ich gehe unbeobachtet durch das Treppenhaus und trete auf die Straße. Der Weg in die Stadt verläuft ohne Ereignisse. Keiner schaut irgendwie komisch und nach ca. einer halben Stunde bin ich in der Altstadt. Es ist gerade noch Weihnachtsmarkt, den ich vorgestern schon mal besucht habe, und gehe direkt in Richtung Praxis von Frau L....

Ich Klingle und nach einer kurzen Weile wird mir geöffnet. Frau L.. begrüßt mich herzlich und es tut, gut als Michaela angesprochen zu werden. Frau L... meint, ich sähe gut aus und ich bedanke mich bei Ihr. Ehrlich gesagt das ist auch etwas, was man als Mann selten hört. Ich nehme Platz und wir unterhalten uns. Ich erzähle ihr, was ich so die letzten 3 Wochen erlebt habe und sie macht mir wieder Mut. Klar, daß das bevorstehende Coming-Out gegenüber meinen Eltern ein Thema ist und ich immer noch nicht weiß, wann ich meine Eltern einweihen werde und wie ich das anstellen soll. Aber irgendwann in naher Zukunft werde ich das in Angriff nehmen. Die 3/4 Stunde bei Frau L... vergeht wieder sehr schnell und wir vereinbaren einen neuen Termin. Ich bitte sie noch ein Bild von mir zu machen und sie erklärt sich auch bereit ein Bild von mir zu machen. Ich mache noch ein Bild von ihr, daß ich allerdings nicht veröffentlichen werden, es sei denn ich würde die Erlaubnis von Frau L.. dazu erhalten.

Ich verlasse das Gebäude der Praxis und wende mich in Richtung Heimat. Ich überlege, ob ich noch einen kleinen Ausflug über den Weihnachtsmarkt machen soll, aber ich entscheide mich, direkt nach Hause zu gehen. Immerhin bin ich morgen auch nochmal auf dem Weihnachtsmarkt, da Karin morgen dort einen Glühwein ausgibt (sie hat Geburtstag). Auf dem Weg nach Hause, gehen mir so einige Gedanken durch den Kopf und ich bin mal wieder voller Zuversicht, daß es mir wahrscheinlich doch möglich sein wird, als Frau zu leben, auch wenn dazu noch einige Schritte notwendig sind und ich sehr an mir arbeiten muß. Aber ich merke, daß mein Selbstvertrauen, langsam besser wird und ich inzwischen eine Zukunft als Frau sehe, auch wenn es noch ein wenig dauern wird, bis dahin.

Vor meinem Wohnhaus angekommen, sehe ich kein Licht im Treppenhaus und ich bin fast ein wenig enttäuscht, daß mir niemand entgegen kommt. Ich bin voller Selbstvertrauen und gehe völlig entspannt die paar Stufen hoch und komme unbehelligt wieder zu Hause an. Ich ziehe mich als erstes um und schminke mich ab, da ich noch ein paar Yoga-Übungen machen möchte und/oder diesen Blog-Eintrag schreiben möchte. In den eigenen vier Wänden, läuft keine vernünftige Frau in Stiefeln und Jeansrock rum, wenn sie alleine ist. Mein Freizeitoutfit ist allerdings nichts, was ich hier im Internet veröffentlichen möchte.

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