Freitag, 4. Oktober 2013

Die kulturelle Konstruktion der Geschlechterrollen

In dem Beitrag bzw. Podcast In trockenen Büchern: Menschheitsgeschichte von Alexandra Tobor bespricht Alexandra, das Buch "Eine kurze Geschichte der Menschheit" von Dr. Yuval Harari. Darüber möchte ich jetzt allerdings nichts schreiben, sondern über ihre Ausführungen gegen Ende ihres Podcasts, wie Männlichkeit und Weiblichkeit im kulturellen Zusammenhang entsteht (ab 25:20 bis 26:50).

Alexandra sagt es sehr gut und ganz klar, daß es nicht reicht, mit einem X und einem Y Chromosom geboren zu werden um ein Mann zu sein, bzw. mit zwei X Chromosomen um eine Frau zu sein. Viele Menschen versuchen, obwohl sie per Genetik eine Frau bzw. ein Mann sind, ihre Umwelt davon zu überzeugen, daß sie tatsächlich eine Frau bzw. ein Mann sind, in dem sie die kulturellen Regeln, die im Zusammenhang der Geschlechterrollen existieren penibelst befolgen. Mir fallen diese kulturellen Regeln wahrscheinlich eher auf, wie den meisten anderen Leuten, da ich lange versucht habe den Erwartungen der Umwelt gerecht zu werden und versucht habe, nach außen männlich zu erscheinen, obwohl ich mich selbst immer eher als weiblich empfunden habe. Auch jetzt, als ich in der weiblichen Rolle lebe, beobachte ich immer noch, wahrscheinlich mehr als andere, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern.

Die Geschlechtsrolle ist kulturell geprägt, aber wo man sich selbst verortet, ob man sich selbst als männlich oder weiblich einsortiert, ist nicht durch die äußeren Geschlechtsmerkmale bestimmt, sondern durch das eigene Empfinden, durch das Empfinden, in welcher Gruppe man sich selbst sieht. Bei den meisten Menschen passen Empfinden und das Äußere zusammen und bei ein paar wenigen leider nicht. Diese wenigen, die es dann wagen, in den Augen der Normalbevölkerung, gegen die Natur zu verstossen und sich entgegen den ursprünglichen Erwartungen ihrer Umwelt verhalten, verunsichern dann oftmals die Leute, da sie durch ihre Existens, den Menschen erahnen lassen, daß diese ganze Geschlechtersache nur eine kulturelle Übereinkunft ist und nichts feststehendes natürliches ist. Es ist nicht Gott gewollt, in welcher Rolle ich lebe, aber es ist vielleicht biologisch determiniert, ob man sich selbst als weiblich oder männlich einsortiert, aber damit hat es sich schon. Wie ich mich dann verhalte, ist dann nur noch der Versuch, möglichst den Erwartungen der Umwelt gerecht zu werden, um auch von meinen Mitmenschen als weiblich oder männlich gelesen zu werden und anerkannt zu werden. Das ist, finde ich fast wichtiger, als die körperlichen Merkmale, die die Mitmenschen im Normalfall nicht zu Gesicht bekommen.

Aber gerade als transidente Person, die erst im fortgeschrittenen Lebensalter, den Rollenwechsel durchführt, geraten manche bei den vielen ungeschriebenen geschlechtsspezifischen Verhaltensnormen schnell an die Grenzen der Anpassungsfähigkeit. Viele dieser Regeln bekommen die Mädchen und Jungs im Spiel, im Zusammensein mit ihresgleichen in der Kindheit und Jugend mit. Man nennt das Sozialisation und diese Sozialisation lässt sich meinen Beobachtungen nach nur sehr schwer nachholen. Es reicht dann eben oft nicht aus, als Frau mit männlicher Vergangenheit, sich einen Rock und hochhackige Schuhe anzuziehen, sich die Haare wachsen zu lassen, lange manikürte Fingernägel zu haben, sich zu schminken und dann zu glauben, daß man dadurch für die Umwelt als Frau erscheint. Wenn das Auftreten, die Sprache (ich meine nicht die Stimmhöhe), die Gestik, der Umgang mit seinen Mitmenschen, nicht zu den Rollenerwartungen passt, dann kann es sehr schnell passieren, daß diese Person, trotz ihres möglicherweise perfekten äußeren weiblichen Erscheinungsbildes, nicht als Frau akzeptiert wird und abgelehnt wird. Mir selbst ist das zum Glück noch nicht passiert, aber mir ist bewusst, daß ich, was das Thema weibliche Sozialisation angeht, wahrscheinlich niemals das verpasste nachholen werde. Aber zum Glück findet hier auch in der Gesellschaft ein Wandel statt. Die Geschlechterrollen sind zum Glück nicht mehr ganz so starr, wie sie es noch vor 30 oder 40 Jahren waren und hier sind wir wieder bei dem Podcast, der der Grund ist, weshalb ich diesen Beitrag hier geschrieben habe. Die Geschlechterrollen sind nichts göttliches, naturgegebenes, das unwandelbar wäre. Nein, sie sind kulturellen Ursprungs und wandelbar und ich hoffe, daß sie sich noch mehr in Richtung eines Rollenverständnisses ändern, das sich die Menschen auf Grund ihres eigenen Empfindens für eine Rolle entscheiden können und auch zwischen den Rollen wechseln können, ohne deshalb mit Diskriminierung rechnen müssen.

Was wünscht ihr euch, im Bezug auf die Entwicklung der Geschlechterrollen? Was wünscht ihr euch, wohin die Reise gehen soll?

4 Kommentare:

  1. ^_^ Moin Michaela, gut das Du das angesprohen hast. Mittlerweile habe ich ein ungutes Gefühl, wenn Frauen mit diesen fehlverhalten neben mir in einen Raum sitzen. Ehrlich, ich weis aus eigener Erfahrung wie schwer der Anfang ist. Aber es gibt Mädels die sich in dieser groteske Darstellung gefallen. Ich als Frau fühle mich, durch diese Karikturdarstellung einer Frau verunglimft. Wie müssen sich nicht so tollerante Frauen fühlen?
    Alles liebe und gute Mia

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    1. Früher hat es mir auch etwas ausgemacht, inzwischen geht es. Ich empfinde es nicht mehr als Verunglimpfung, weil ich weiß, daß deren Auftreten, nichts mit mir zu tun hat.
      Ganz liebe Grüsse, Michaela

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  2. Es ist mir so egal, ob ich XY oder XX habe.
    Jeder von uns weiß, was er sie es ist.
    Ich wünsche mir dass alle Menschen ihr Geschlecht selbst bestimmen dürfen.
    Wir selber wissen nur was wir sind und NICHT mit äüßerlichen Geschlechtsmerkmalen.
    Egal ob sie Frau, Mann oder beides.

    LG Sandra

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