Samstag, 27. Mai 2006

Nochmals in die Stadt

Nachdem ich am Mittwoch so gute Erfahrungen als Frau gemacht habe, möchte ich heute mal mit meiner besten Freundin zum Einkaufen. Die Gelegenheit ist günstig, ich habe heute am Freitag frei, da gestern ja "Christi Himmelfahrt" war und die Firma in der ich arbeite, generell an solchen Brückentagen zu hat. Ich war zwar am Vormittag schon beim Einkaufen, leider als Mann, und brauche nichts, aber Karin und ich wollen für eine gemeinsame Bekannte einen Gutschein in einer Parfümerie kaufen und so nutze ich die Gunst der Stunde und werde mich mal wieder schminken, was diemal schon relativ schnell geht. Klar, daß das rasieren mich immer noch ärgert, da ich mich mal wieder ein wenig geschnitten habe und das Camouflage mal wieder alles überdecken muß. Nachdem ich fertig bin warte ich darauf, daß sich Karin meldet. Sie muß heute arbeiten und ich muß mich eben in Geduld üben. Schließlich, so gegen 15.00 Uhr klingelt das Telefon. Sie muß, bevor sie nach Hause kommt noch was besorgen und will anschliessend sich erst einmal um ihre Tiere kümmern. Wir vereinbaren, daß ich so gegen 17.00 Uhr zu ihr gehe. Ich warne sie schon mal vor, daß ich als Frau kommen werde. Sie bringt zwar ein paar Argumente hervor, warum ich eventeull nicht als Frau kommen sollte, die mich ein wenig verunsichern, aber ich möchte mich auch nicht abschminken und ausserdem ist es mir egal. Karin gegenüber habe ich mich erst vor ein paar Wochen geoutet und wir haben inzwischen schon des öfteren über meine "Veranlagung" geredet. Ich habe zwar immer wieder das Gefühl, daß sie mit dem Thema ganz gut zurecht kommt, aber dem Ganzen doch recht kritisch gegenüber steht. Karins Meinung ist mir wichtig, auch wenn ihre Ansichten, nicht nur was das Thema Transsexualität angeht, oft sehr kritisch ist. So gegen 17.00 Uhr mache ich mich also auf den Weg. Dabei ist wieder das gleiche Spiel wie bisher, ich horche kurz an der Wohnungstür, ob ich jemanden im Treppenhaus höre. Doch dieses Mal bin ich sehr viel gelassener, als noch vorgestern. Ich gehe raus und schliesse ab. Auch der Gang unten durch die Haustür geschieht völlig entspannt. Hatte ich am Mittwoch noch etwas weiche Knie, fühle ich mich heute sehr ruhig und gelassen. Ich traue mich auch die Hauptstrasse entlang zu gehen und wie erwartet, passiert nichts. Am Haus der Karin, sie wohnt nur 10 min zu Fuß von mir entfernt, klingle ich und sie kommt auch gleich herunter. Als sie mich sieht, ist ihr erster Kommentar, daß man das Make-Up doch sehe. Klar, wenn sie auf einen Meter neben mir ist, sieht man das natürlich. Das Make-Up ist ja auch erst abe einer Entfernung von ca. 1,5 bis 2m nicht mehr als solches erkennbar und dies ist im Normalfall die Entfernung, auf die ein Unbekannter höchstens an eine Person heran tritt, ohne dessen privaten Raum zu verletzen. In Karins Auto wird mir jetzt doch ziemlich warm. Es ist ein alter Golf und hat natürlich keine Klimaanlage und da ist natürlich meine Perücke doch ziemlich ungeschickt. Leider werde ich wohl immer ein Haarteil benötigen, da ja das Testosteron leider schon zuviele Haar auf meinem Kopf hat absterben lassen. Aber damit muß ich leben. Mein Vorbild was das angeht ist in dem Fall die bekennende Perückenträgerin Nadja Abd El Farrag, ganannt Naddel und sie hat ja recht schönes und üppiges Haar. Karins Meinung zu meinen Haaren bestärkt mich in meinem Entschluß demnächst ein Zweithaarstudio aufzusuchen und mir aus professioneler Hand, ein zu mir passendes Haarteil zu erwerben. Meinem Terminplan nach wäre die Woche vor dem nächsten Feiertag wohl der Tag an dem ich am besten kann. In der Stadt gehen wir zu einer Parfümerie. Der Weg dorthin ist für mich diesmal ziemlich ruhig und entspannt. Erst als wir die Parfümerie betreten werde ich ein wenig nervös. Die Verkäuferin aber läßt sich aber zum Glück durch meine Gegenwart durch nichts aus der Ruhe bringen. Ich halte mich auch was die Verkaufsverhandlungen angeht im Hintergrund und lasse Karin reden. Ich bewundere dabei das sehr gelungen Make-Up der jungen Dame hinter dem Ladentisch. Das Verpacken des Gutscheins nimmt einige Zeit in Anspruch und es kommen noch andere Kunden in das Geschäft. Auch diesmal merke ich nicht, daß irgendjemand komisch schauen würde oder gar irgend etwas sagen würde. Nachdem wir den Gutschein also haben, gehen wir noch zu einem Asia-Imbiss, da Karin hunger hat. Wir setzen uns dort draussen hin, da zwischendurch mal wieder die Sonne scheint und wir die frische Luft geniessen wollen. Der Imbiss liegt schräg gegenüber der Kneipe, in die ich sonst ab un zu mal hin gehe. Es sitzt aber niemand draussen. Die Passanten gehen völlig teilnahmslos an mir vorbei. Gut, es gibt glaube ich schon den Einen oder die Andere, die mal ein wenig irritiert schaut, aber was solls. Sie lassen mich in Ruhe und mehr will ich ja auch nicht. Ich bestelle eine Peking Suppe und einen kleinen gemischten Salat. Karin nimmt eine vegetarische Suppe und irgend ein Reisgericht mit Schweinefleisch. Die Suppe schmeckt nicht schlecht, nur der Salat ist etwas einfallslos. Ich werder also in Zukunft bei dem Imbiss keinen Salat mehr bestellen. Nachdem wir gezahlt haben, gehen wir noch ins Marktkauf, da Karin noch etwas Katzenfutter und sonstiges benötigt. Hier werde ich ein wenig nervös. Im Marktkauf in der Innenstadt gehe ich zwar äußerst selten und es dürfte keine Gefahr bestehen, daß mich jemand erkannt, aber es besteht eben die Gefahr, daß jemand Karin kennt (sie hat einen sehr großen Bekanntenkreis) und dadurch auch mich etwas näher mustern könnte. Aber da muß ich durch und wir schieben den Wagen in den Eingang. Aber wie ich eigentlich erwartet habe, geschieht auch hier nichts. Ich habe zwar schon das eine oder andere Mal ein wenig komisches Gefühl in der Magengegend, aber bei weitem nicht so schlimm, als ich das erste Mal als Frau raus bin. Ich werde demnächst mal alleine als Frau einkaufen gehen, immerhin könnte ich mal bei C&A nach ein paar Schuhen in Größe 43 schauen. Nach dem Einkauf fahren wir wieder zu Karin und ich komme noch mit zu ihr in die Wohnung um ein Foto von ihrer Katze, der Tapsi, zu machen. Sie möchte sie gerne unserer gemeinsamen Bekannten, die uns morgen zum Essen eingeladen hat, andrehen ;-) . Ein Foto gelingt ganz gut. Ich bleibe nicht lange bei ihr und auch der Weg nach Hause, wieder die Hauptstrasse entlang, erlebe ich völlig ruhig und entspannt. Auch der Weg in meine Wohnung ist für mich überhaupt nicht aufregend, gut mir kommt auch niemand im Treppenhaus entgegen. Ich bin unheimlich Stolz, daß ich ohne Beklemmungen als Frau in die Öffentlichkeit kann. Wenn ich mir meine Reaktionen vorstelle, die ich noch vor ca. 3 Monaten bei dem Gedanken hatte mich en femme auf die Strasse zu Wagen, so habe ich einen unheimlich grossen Fortschritt gemacht. Mir ist zwar klar, daß es noch vieler weiterer Schritte bedarf, bis ich ganz normal als Frau leben kann, aber ich habe heute das erste Mal das Gefühl von Normalität in der weiblichen Rolle erlebt.

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