Mein Herz klopft und ich fange an zu schwitzen. Ich bin mir unsicher, ob ich das Richtige tue, aber ich muß das jetzt hinter mir bringen. Ich gehe also zu meinem Abteilungsleiter mit dem festen Vorsatz ihm von meinen weiblichen Gefühlen zu erzählen. Ich weiß nicht wie ich das Gespräch anfangen soll und so versuche ich ihn darauf vorzubereiten, daß er jetzt wahrscheinlich gleich sehr überrascht sein wird. Ich bin sehr nervös und sage ihm, daß ich ab Januar als Frau zur Arbeit kommen werde. Damit er sich das auch vorstellen kann, zeige ich ihm ein paar Bilder von mir, die ich auf dem iPod habe und wie ich ich es angekündigt hatte war seine Überraschung doch ziemlich groß. Ich erzähle ihm dann noch mehr von mir als Frau, meinen Gefühlen und das mich das Thema Transidentität schon seit meiner Kindheit beschäftigt bzw. ich immer das Gefühl hatte, daß mit mir etwas nicht stimmt. Trotz seiner Überraschung war seine Reaktion sehr verständnisvoll und wohlwollend. Er hat mir Mut gemacht und gemeint, daß der Rollenwechsel bei uns in der Firma wahrscheinlich kein Problem darstellen wird.
Ich war so erleichtert, daß ich endlich diesen Schritt gewagt habe, daß ich im Anschluß noch meinen Kollegen eingeweiht habe, der mir im Büro gegenüber sitzt. Auch seine Reaktion war zuerst Überraschung, aber dann auch Wohlwollen und Verständnis. Ich bin zudem nicht die erste transidente Person, die er kennt. Aus seinem Umfeld kennt er eine junge Dame, die Farah und ich sogar schon interviewt haben (Sonja). Nach meinem Kollegen habe ich noch eine Kollegin informiert, auch hier eine ähnliche Reaktion. Nach diesen drei Outings war ich ziemlich erschöpft, denn ich habe dreimal meine Angst überwinden müssen und habe mich den Reaktionen meiner Kollegen gestellt. So ging es dann auch die ganze Woche weiter. Ich bin zu fast allen meiner Kollegen hin gegangen und habe ihnen von meiner Absicht erzählt, daß ich im Januar als Frau zur Arbeit kommen werde. Ausserdem habe ich allen dann auch gleich ein paar Bilder gezeigt und im Anschluß ihnen den Beschluß über die Vornamensänderung unter die Nase gehalten. Mir hat das Stück Papier die Sicherheit gegeben, die ich für das Coming-Out in der Firma gebraucht habe. Ohne den Beschluß hätte ich mich nicht zu diesem für mich sehr entscheidenden Schritt gewagt. Inzwischen habe ich fast alle Kollegen aus meinem Bereich informieren können, sowie ein paar Kollegen aus den Fachabteilungen, mit denen ich öfters zu tun habe. Allerdings fehlen immer noch ein Paar, die ich persönlich über meinen Rollenwechsel informieren möchte. Ich hoffe, daß ich diese am Montag erreichen werde. Alle anderen Kollegen, die mich zwar kennen, aber mit denen ich nur selten etwas zu tun habe, werde ich am Montag oder Dienstag per Mail informieren.
Ich habe diese Woche viel Verständnis und Wohlwollen erfahren. Meine Kolleginnen und Kollegen waren sehr überrascht, aber sie haben mir gegenüber keine negativen Reaktionen gezeigt. Während der Gespräche, habe ich mich mit meinen weiblichen Kolleginnen verbunden gefühlt und eine von ihnen hat zu mir gesagt: "Willkommen im Club", was ich sehr nett fand und ich mich dabei auch sehr weiblich fühlte, auch wenn ich nicht so aussah. Ich freue mich schon auf den ersten Tag als Frau im Büro, auch wenn ich mich dabei doch noch etwas ängstlich fühle. Wenn ich an den 10. Januar denke, fühle ich mich auf der einen Seite sehr gelöst und freue mich darauf, endlich so zur Arbeit gehen zu können wie ich mich fühle und auf der anderen Seite merke ich, daß ich doch noch ziemlich ängstlich bin. Immerhin habe ich nicht alle Kollegen in der Firma eingeweiht und werde dies auch nicht tun, sondern nur die im näheren Umfeld. Ich weiß nicht, wie die Kollegen reagieren werden, die mich nur vom Sehen her kennen. Ich denke da ganz besonders an das erste Mittagessen als Frau bei uns in der Kantine. Werden mich einige anstarren oder falle ich nicht auf. Solche Gedanken machen mir zur Zeit noch zu schaffen, aber ich denke, daß ich das auch noch meistern werde und wahrscheinlich ist eine Woche nach dem 10. Januar alles kein Problem mehr, weder für mich, noch für meine Kollegen.