Freitag, 12. März 2010

Gastbeitrag von Farah: Die Chance, die ich nutzte

Farah transidente Reporterin
Farah Moderatorin
und Reporterin

Ursprünglich hochgeladen
von Michaela-W
Ich finde heute ist es mal wieder an der Zeit euch etwas aus meinem Leben mitzuteilen und da ich es wichtig finde Gefühle anzusprechen werde ich mit gutem Beispiel vorangehen. Ich berichte euch heute was ich bei "User-Reaktionen" empfinde:

Zuerst einmal muss ich sagen, dass die meisten User weltoffen, tolerant und sehr höflich sind. An dieser Stelle möchte ich mich auch ganz herzlich bei den Menschen bedanken, die mir durch ihre liebevollen Hinweise, wohlwollenden Kommentare und ehrliche Unterstützung im Bezug auf unser soziales Engagement für Transgender den Rücken gestärkt und auch meine Seele gestreichelt haben.

Leider gibt es auch User, die sich im Ton vergreifen und versuchen mich aufgrund meiner "körperlichen Mängel" gezielt anzugreifen bzw. bloß zustellen. Diesen Usern möchte ich sagen:

"Greift euch an die eigene Nase, schaut euch mal eure eigenen körperlichen Merkmale an und prüft, ob ihr wirklich die Voraussetzungen erfüllt andere aufgrund von Äußerlichkeiten diskreditieren zu können. Niemand sollte sich für so perfekt halten den ersten Stein werfen zu können und bei der Gelegenheit möchte ich erwähnen, dass auch Worte wie Steine sein können."

Ich bin von den Angriffen ab und an noch getroffen. Ich fühle mich dann wie ein Tier, das man in die Enge gedrängt hat und versuche mit dieser Mischung aus Wut, Angst und Adrenalin umzugehen. Gerade wenn die Fragen sehr bohrend und bewußt in einem sehr diskriminierenden Ton gestellt werden verliere auch ich das "gute Maß" und verhalte mich unfair gegenüber den angreifenden Usern.

Im Großen und Ganzen habe ich aber gelernt mit Diskriminierung angemessen umzugehen: Ich bleibe ruhig bei bohrenden Fragen, ich bin es gewöhnt mit sozialem Druck fertig zu werden und ich reagiere nicht mehr persönlich auf persönliche Angriffe so komisch sich das nun auch anhören mag ;-).

Ich habe als transidente Frau gelernt stark zu sein. Mein "männlicher" Körper und mein weibliches Seelenleben (Empfinden) stellen mich eben oft vor einige Herausforderungen, mit denen ich erst lernen musste umzugehen.

Manchmal wünschte ich ich könnte noch gelassener und gelöster sein. Aber die Erfahrungen haben mich eben zu einer "Irak-Soldatin" werden lassen, die immer wieder auf bohrende Fragen, diskriminierende Äußerungen und verletzendes Lachen wartet wie auf einen tödlichen Hinterhalt.

Mein schwieriges aber auch vielfältiges Leben hat mir auch eine große Chance eröffnet: Ich durfte mich als ganzheitliches, fühlendes, denkendes und handelndes Wesen kennenlernen.

Diese Chance bleibt den meisten Menschen verwehrt. Sie wirken auf mich oft wie schlecht funktionierende Roboter, voller unterdrückter, nicht bewußter Gefühle. Sobald sie einem Menschen wie mir begegnen schwappen diese Gefühle über und ich bin quasi nur die Projektionsfläche für ihre unbewussten Emotionen. Es ist schön mit sich im Reinen zu sein dadurch habe ich die Möglichkeit anderen Menschen Impulse geben zu können, die sie vielleicht motivieren sich und ihr eigenes (Innen)Leben ein bisschen besser kennenzulernen. Ich glaube nur wer sich kennt und mit sich und seinen Anteilen und Eigenschaften tolerant umgeht kann auch anderen auf diese Weise begegnen.

Ich habe die große Chance genutzt mich selbst gut kennenzulernen und ich möchte gerade auch den Usern danken, die negativ auf mich reagieren sie zwingen mich immer wieder mich mit mir und meinen Gefühlen auseinanderzusetzen- das macht mich stark und befreit mich :-)

Ganz liebe Grüße sendet euch die meist starke,
selbstbewusste und freie Farah ;-)

...und vergesst nicht: Die Würde des Menschen ist
unantastbar !

2 Kommentare:

  1. Liebe Farah, ich kenne diese Anfeindungen selbst noch aus meinem ersten Jahr im neuen Leben.
    Ich habe mir dann ganz bewußt gesagt: "T-Girl and proud of it."
    Gerade wenn ich gekränkt wurde, habe ich den Kopf noch ein wenig höher gehalten. Mit uns ist alles in Ordnung, wir sind nur trans. Bitte vergiss das nie.
    Liebe Grüße, Svenja

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  2. Liebe Farah,

    nun habe ich schon einiges von dir gesehen und auch gelesen. Und ich bin meistens berührt. Meistens, weil ich das Gefühl transgender zu sein nicht kenne und mir tatsächliche Einfühlung dadurch wohl verschlossen bleibt. Aber ich kann meistens berührt sein, weil ich Identitätskonflikte kenne - und auch die Aufgabe irgendwie anders zu sein.
    Wahrscheinlich kämpft damit jeder Mensch. Die einen bewusst, die anderen unbewusst. Und die einen offensichtlicher als die anderen.

    Interessant finde ich, deine Ansicht oder dein Empfinden, eine Seele habe ein Geschlecht. Ich dachte für mich bislang, eine Seele sei androgyn - dass du deine als weiblich empfindest, hat mich sehr überrascht!

    Ich habe auch gelesen, dass es einen Transgender-Treff gibt und ich möchte dich fragen, ob ich dort auch willkommen bin, wenn ich im für mich passenden Körper - nämlich der einer Frau geboren wurde. Ich könnte mir auch vorstellen, dass ich dann vielleicht nicht erwünscht bin.

    Dabei lege ich offen, dass ich Journalistin bin und ich in Erwägung ziehe, über Transgender zu berichten. Allerdings nur, wenn ich mir dieses Thema wirklich zutraue und sich dafür ein würdevoller Rahmen finden lässt. Es ist in meinem Sinne Vorurteile abzubauen und keine zu schüren.

    Ich würde mich sehr freuen, wenn du Kontakt mit mir aufnehmen möchtest. Meine Email-Adresse ist [email protected]

    Liebe Grüße

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