Montag, 8. August 2011

Anonymität oder Identifizierbarkeit im Netz?



Die letzten Tage verfolge ich die Diskussion, ob die Anonymität im Netz abgeschafft werden soll oder ob es vielleicht doch sinnvoll sein kann, anonym im Netz aufzutreten. Ich möchte hier ein paar meiner Gedanken dazu wiedergeben und zwar aus Sicht einer Betroffenen, die beide Seiten der Medaille kennt.

Als ich anfing, mich mit meiner Transidentiät auseinander zu setzen, war für mich die erste Informationsquelle das Internet. Irgendwann habe ich begonnen, auch Kontakte zu anderen transidenten Menschen zu suchen. Damals noch im IRC-Chat (gibt es heute noch) und natürlich war ich sehr froh, daß ich mich mit einem fiktiven Namen dort präsentieren konnte. Ich hatte damals Angst, daß irgend jemand mitbekommen könnte, der mich aus dem realen Leben kennt, das ich transident bin. Ich glaube, daß es einer ganzen Menge von transidenten Menschen bzw. Transgendern so oder so ähnlich geht. Wenn ich mir die entsprechenden Foren anschaue, sehe ich, daß es sehr viele Betroffene gibt, die ihre eigentliche Geschlechtsidentität nur im Internet ausleben können. Sie getrauen sich nur unter dem Deckmantel der Anonymität als Mann oder Frau aufzutreten und das oft auch nur virtuell. Diese Möglichkeit, des anonymen Auftretens im Netz, hat mir damals geholfen, mich mit meinem Ich auseinander zu setzen, und der Sicherheit, daß ich keine Angst vor Entdeckung haben muß. Dieses Gefühl war für mich sehr wichtig in meiner Entwicklung. Ich glaube sogar, daß ich ohne das anonyme Internet heute nicht als Frau leben würde. Ich hätte es wahrscheinlich nicht geschafft meine Angst zu überwinden. 

Heute, nachdem ich diese Phase hinter mir habe, brauche ich mich nicht mehr zu verstecken und ich gehe dazu über, mich mehr und mehr auch mit meinem Klarnamen zu zeigen. Dabei habe ich aber auch Bedenken und gebe nicht überall meinen "richtigen" Namen an. Die Bedenken erstrecken sich vor allem auf Trolle, Hater und sonstige Menschen im Internet, die meinen hier herrsche Anarchie und sie könnten andere Personen angreifen und diffamieren. Aus dieser Warte heraus, kann ich es verstehen, wenn von gewissen Kreisen gefordert wird, seinen richtigen Namen anzugeben (ganz abgesehen von der Durchführbarkeit). Klar, auch jetzt gibt es keine absolute Anonymität und Jemand, der mich im Netz beleidigt oder mir Gewalt androht, kann ich genauso anzeigen wie im realen Leben (Das Internet ist auch sehr real). Die Staatsanwaltschaft ist, soweit ich weiß, dann verpflichtet, die Ermittlungen aufzunehemen und ich vermute mal, daß deren Möglichkeiten einen anonymen Internetnutzer zu ermitteln, sehr viel größer sind, als die meinigen. Klar ich kenne auch Möglichkeiten, die IP-Adresse so gut zu verschleiern, daß eine Ermittlung derselben schwierig bis unmöglich wird (mir ist so etwas viel zu viel Aufwand und ich habe nichts zu verbergen, deshalb mache ich es nicht), aber ich vermute, daß die meisten Hater und Trolle, sich dieser Vorgehensweise nicht bedienen. Egal, jedenfalls wäre diese Debatte nicht notwendig, wenn sich die Internetbenutzer an die üblichen Regeln der Höfflichkeit halten würden. Die meisten bringen das fertig, aber leider gibt es eine kleine Gruppe, die den Begriff Nettiquette wahrscheinlich noch nie gehört haben oder ganz bewußt ignorieren.  Wobei ich schon das Gefühl habe, daß viele der Hater und Trolle sich nur deshalb so verhalten, weil sie sich hinter einem Pseudonym sicher fühlen und keine Konsequenzen zur fürchten brauchen.

Diese beiden Standpunkte haben meiner Meinung beide etwas für sich und ich glaube, daß es sinnvoll ist, die Anonymität des Internets beizubehalten. Wie schon gesagt, ist diese Anonymität nur scheinbar und bei wirklich krassen Fehlverhalten ist es auch jetzt schon möglich, denjenigen zu ermitteln, der sich gegen das Gesetz stellt. 

Ein ganz anderer Punkt ist natürlich, was Google macht, wenn sie auf Klarnamen bestehen. Ich habe meinen Klarnamen in meinen Profil angegeben und ich verstehe auch die wirtschaftlichen Interessen die Google dabei hat. Ja ich glaube, daß es rein wirtschaftliche Interessen sind, die Google dazu führt, diese Klarnamenpflicht zu verlangen. Google ist allerdings, was die Konsequenzen angeht wahrscheinlich sehr kurz angebunden. Hier gibt es keinen Richter, Staatsanwalt und Verteidiger. Wenn Google den Stecker zieht, weil man gegen die Allgemeinen Geschäftstbedingungen verstossen hat, wird man wahrscheinlich feststellen, daß man sehr alleine da steht und keine Chance hat, irgndwo Einspruch zu erheben. Versuche mal eine Email-Adresse bei Google, YouTube & Co. zu finden. Hier ist man Google faktisch hilflos ausgeliefert. Dies sollte sich meiner Meinung nach ändern, vor allem wenn ich mir vorstelle, welchen Stellenwert mein Google-Account für mich hat. Er ist für mich der Dreh- und Angelpunkt meines digitalen Lebens und sollte dieser aus irgendwelchen Gründen gekündigt werden, wäre dies nur mit erheblichen Aufwand zu beheben (Ich würde es überleben). Aber ich glaube nicht, daß das jemals der Fall sein würde. Wobei, das dachte derjenige sicher auch, dessen Fall letztens in den Medien berichtet wurde.

Nun, ich bin für die Anonymität im Netz, auch bei Google, Facebook und den anderen Diensten die es gibt. Ich empfände und empfinde es als eine Beschräkung meiner persönlichen Freiheit, wenn sich dabei etwas ändern sollte. Ganz besonders würde ich mich in meinen Freiheitsrechten angegriffen fühlen, wenn von staatlicher Seite eine Einschränkung der Anonymität erfolgen sollte. Auch bei Google & Co. sollte die Möglichkeit der Anonymität bestehen, denn sind wir mal ehrlich, wissen die vielleicht nicht doch schon genug (Ich vertraue Google noch immer )?

3 Kommentare:

  1. Hallo Michaela,

    schön, dass Du Deine Ansicht hierzu veröffentlichst. Das ist sehr wichtig, damit »Normalos« eben auch mal die verschiedenen Aspekte des Themas kennenlernen, sowie die Möglichkeit erhalten, generell zu lernen, dass andere Menschen andere Identitäten haben und dass man sie deswegen nicht diskriminieren kann.

    Was mir oft auffällt ist, dass anonym und pseudonym verwechselt wird. Wenn Du Dir im IRC einen anderen Namen gibst, ist das ein Pseudonym. Da Du unter diesem ansprechbar bist, bist Du also keineswegs anonym. Lediglich Dein bürgerlicher Name bleibt verborgen und umgekehrt, Dein bürgerlicher Name gibt nichts vom IRC-Namen an. Das sind dann zwei Aspekte Deiner Identität, mit der Du soziale Kontakte auseinanderhalten kannst und es ihnen aus Selbstschutz etwas schwerer machst, den jeweils anderen Aspekt kennenzulernen.

    Ich finde, dazu hat jeder immerzu und überall – als auch im Internet – das Recht. Es ist das Recht auf Selbstbestimmung und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

    Natürlich gibt es Trolle und Hater, die die Kehrseite dieses Rechts für ihre Zwecke mißbrauchen. Aber deswegen auf ein Recht verzichten?

    Bei G+ (und anderen Diensten) finde ich, sollte dieses Recht auch gelten. Es ist technisch ein Klacks, bei der Anmeldung eine Identität einzufordern, aber einen Displaynamen anzubieten. So hätte Google die aus wirtschaftlichem Interesse benötigten Daten und der Nutzer sein Pseudonym. Außerdem sollte es zunächst Warnung geben, bevor ein Account gesperrt wird, à la »30 Nutzer haben dieses Profil als Mißbrauch gemeldet, bitte klären Sie das auf.« Es ist eine Frage, wie ein Anbieter mit seinen Kunden umspringt, und schließlich zahlt man ja mit seinen Daten, die immerhin so wertvoll sind, dass gleich eine ganze Plattform dafür gebaut wird ;)

    Auf derlei Plattformen ist übrigens niemals jemand anonym, da jeder Profilname nur einmal vergeben ist, also auch der Troll oder Hater immerzu ansprechbar ist.

    Es ist ohnehin unsinnig, auf Klarnamen zu bestehen. Ich könnte mich beispielsweise viel besser hinter Klaus-Dieter Knoll verbergen (wer weiß schon, wer das ist?), als wenn ich mich Rumpelstilzchen nennte.

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  2. Hi,
    erst mal vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Ja du hast Recht, bei der Unterscheidung zwischen Pseodonym und Anonymität im Netz. Aber kann das Pseodonym nicht auch der Anonymität dienen? Egal, Dein Vorschlag bei G+ trotz eines Klarnamens ein Aliasnamen zuzulassen finde ich interessant. Vor allem weil er nicht neu ist. Bei Yahoo, als dieser Dienst noch gute Ansätze auch was Social Media angeht, hatte, war genau dies möglich. Vielleicht bewegt sich bei Goolge da noch etwas.

    Liebe Grüsse vom Bodensee,
    Michaela

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  3. Ich habe ein paar Tage nach der Interview von Friedrich das Gefühl, dass der Weltkatzentag wichtiger ist
    http://frankkoebsch.wordpress.com/2011/08/09/klarnamenzwang-weltkatzentag-anonymitat-freiheit/
    Frank

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